25.05.2014

Temomicha: Japan von seiner feinsten Seite

Meine Liebe zum Tee erwuchs aus meiner Begeisterung für Japan. Auch wenn ich auf diesen Seiten selten über japanische Tees schreibe, sind sie doch meine Basis und mein Anker in der weiten Welt des Tees. Als ich vor 16 Jahren ein Praktikum in Shizuoka machen durfte, wo rund 50% des japanischen Tees produziert wird, habe ich jede freie Minute (und je nach Vorgesetztem in Heimwerkermarkt auch Arbeitszeit) in Teefabriken, bei den Händlern, auf Teefeldern und im Tee-Unterricht verbracht. Damals beschloss ich, meine Teeliebe irgendwann mal zum Beruf zu machen.

Der Beruf brachte mich in den ersten beiden Maiwochen wieder nach Japan. Mit einer Gruppe von unseren Franchisepartnern (d.h. Inhabern von TeeGschwendner-Fachgeschäften) sind wir durch Japan gereist, wo ich wegen meiner Sprachkenntnisse als Reisebetreuer mitfahren konnte.

Kein Gyokuro-Feld, aber ein Foto aus der richtigen Gegend


Vielleicht ergibt sich die Gelegenheit, nochmal mehr von der Reise zu berichten, heute möchte ich erstmal von einem ganz konkreten Tee berichten: einem von Herrn Nishi handgerollten Tee (temomicha), den er dieses Jahr aus frisch geernteten Gyokuroblättern als sein privates Freizeitvergnügen hergestellt hat.

Was für traumhafte Blätter!

Zunächst etwas zur Herkunft es Tees: die Familie Nishi produziert in dritter Generation in der Kirishima-Gegend (Norden der Präfektur Kagoshima) Tee, in der zweiten Generation fand die Umstellung auf Bio-Anbau statt und die jetzt aktive 3. Generation (drei Brüder) führt die innovativen Ansätze des Vaters erfolgreich weiter. Tees von der Familie Nishi trinke ich seit Jahren mit Begeisterung [kurze Werbeeinblendung: z.B. die Shincha in unserem Edmon's Sortiment stammen von der Familie Nishi], nun mal die Menschen hinter dem Produkt kennenzulernen, war für mich das absolute Highlight der Japanreise!

Als wir in der großen Wohnküche der Familie Nishi saßen und unserer Begeisterung für den Tee freie Bahn ließen, breitete sich auf dem Gesicht eines der jüngeren Nishi-Brüder ein verschmitztes Lächeln aus und er ging zum Kühlschrank. Zurück kam er mit einer Tüte Tee, deren Inhalt er ohne große Rede in eine Schale umschüttete und uns zeigte.
Nicht bei Familie Nishi, sondern bei mir im Esszimmer


Das war kein Erdbeben, das war meine Kinnlade, die auf den Esstisch knallte: ein Haufen von vielleicht 150g Tee, den er selbst gerollt hatte. Was er uns dort präsentiert war etwas mehr als die Hälfte von dem, was er an einem Tag im April in sieben Stunden Arbeit aus frisch gedämpften Blättern hergestellt hat.

so zart aber völlig intakt

Zur Erklärung: handgepflückter Tee ist in Japan schon eine Rarität - handgerollter Tee ist noch viel seltener. Während eine Maschine Druck von ca. 500kg auf eine handtellergroße Fläche ausüben kann, ist dies bei einem Menschen ein Druck von maximal 50kg. Daher muss ein Mensch viel länger arbeiten, um den Tee so eng zu rollen, wie es eine Maschine kann. Dafür ist handgerollter Tee auch viel schöner (fast nur intakte Blätter) und deutlich milder - wegen der nahezu unversehrten Blätter lösen sich kaum Bitterstoffe.

Nachdem wir den Tee dort in Kirishima probiert hatten, holte man ein paar leere Tütchen hervor und verteilte den verbliebenen Tee unter den Gästen aus Deutschland. Ein Kollege von mir und ich nahmen zusammen ein Tütchen, wovon ich mir gestern im Büro etwas abfüllte, um den Tee am Wochenende zu genießen. Heute Mittag war es dann soweit:




Erst hatte ich die Befürchtung, zuviel Wasser für die wenigen Blätter genommen zu haben, aber der erste Aufguss war wunderbar konzentriert, dickflüssig wie Sirup und auch ungemein süß. Im Hintergrund war eine leicht mineralische Note, die den Tee viel spannender machte, als es eine bloße Süße könnte. Und meine Nase weitete sich, die Atmung wurde viel freier ... ein Effekt, den ich sonst nur von Puer von alten Bäumen kenne.

Der zweite Aufguss war mir nicht so geglückt - vermutlich hatte ich das Wasser zu sehr abkühlen lassen. Zum Glück konnte ich noch 3 weitere Aufgüsse aus den Blättern kitzeln. Alle etwas unterschiedlich: das Mineralische wurde stärker, Süße wandelte sich zu Umami, abschließend eine fast schon an Shiso erinnernde Frische. Was für ein Tee!



Das japanische Kaiserhaus führt seine Dynastie zurück auf Nachfahren der Sonnengöttin. Diese hat ihren Enkelsohn auf die Erde geschickt, um mit den himmlischen Insignien der Kaiserwürde (Schwert, Juwel und Spiegel) die Herrschaft des Kaisergeschlechts vorzubereiten. Die Ankunft auf der Erde soll auf dem Berg Takachiho-no-mine stattgefunden haben - in der Kirishima-Region, nicht weit von Familie Nishi. Dass die Region, wo der Tee wächst, von den Göttern gesegnet wurde, glaube ich gerne. Einfach himmlisch, dieser Tee!

2 Kommentare:

  1. Ach Gero, du glaubst gar nicht wie sehr ich dich um diesen Tee beneide. Noch nie habe ich so viele intakte Blätter nach dem Aufbrühen gesehen. Einfach klasse!

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  2. Toller Reisebericht! Leider muss ich mich vorerst mit Thailand und China begnügen.

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